Nächster Halt, Tiefpunkt

Während den Jahren 2007 und 2008 schob ich immer mal wieder IV Therapien ein. Zirka alle sechs Monate ging ich für zwei Wochen ins Spital. Da dies natürlich keine freiwilligen Intermezzos waren zögerte ich die Termine jeweils soweit wie nur möglich heraus, so dass ich bei Antritt meistens völlig entkräftet ins Spital ging und einige Wochen brauchte bis ich wieder einigermasse fit war. Im Spätherbst 2009 habe ich dann wohl übertrieben und so schaffte ich die Schritte bis zum Empfang kaum mehr. Eine Sauerstoffsättigung von hervorragenden 76% bestätigten meinen miserablen Zustand und so bezog ich für die ersten zwei Tage ein Bett auf der Intensivstation, angeschlossen an EKG, Blutdruckmessgerät, Pulsoxymeter und 6l Sauerstoff. Kurz - es ging mir blendend.

Am zweiten Tag besuchte mich noch der Samichlaus auf der Intensivstation, es war der 6. Dezember und mein Anblick brachte ihn wohl ziemlich aus der Verfassung. Eine Person zu sehen, die mit zarten 27 Jahren angeschlossen an piepsende und surrende Geräte ans Spitalbett gesellt ist war etwas viel für ihn. Glücklicherweise konnte ich bald aufs normale Zimmer verlegt werden, der Zustand blieb aber unverändert schlecht und ich konnte keinen Schritt ohne Sauerstoffbrille machen. Allein der Gang zur Toilette war eine Tortur.

Die Ärzte versuchten eine Vielzahl an Antibiotika einzusetzen, die allesamt nicht die gewünschte Wirkung zeigten. Nach zehn Tagen resignierte der leitende Chefarzt und ordnete eine Bronchoskopie an um die Erreger am Ort des Geschehens in der Lunge zu analysieren. Dazu wurde ich mit dem Krankenauto in die Pneumologie nach St.Gallen verlegt. Ich kam in ein zweier Zimmer und neben mir röchelte ein alter Mann am Beatmungsgerät vor sich hin. Dieser Anblick versetzte mich in Angst und Schrecken und ich fühlte mich schrecklich. Am gleichen Tag, der 16. Dezember wurde die Lungenspiegelung durchgeführt. Eine Narkose war nicht möglich, da die tiefe Sauerstoffsättigung dies nicht zuliess. Die folgenden 30 Minuten waren eine Nahtoderfahrung. Immer wieder röchelte ich und ich fühlte mich als würde ich gleich ersticken.

Danach wurde ich wieder aufs Zimmer verlegt. Und nachdem sich meine Mutter mit Dr.Bühlmann vom Triemli in Verbindung gesetzt hatte, konnte dieser eine Verlegung in ein Einzelzimmer veranlassen. Am selben Abend lernte ich dann Dr. Schoch vom KSSG kennen. Er ist Spezialist für komplexe Lungenerkrankungen und erkannte das Problem sofort. Die verschriebene Prednisondosis von 2.5mg war viel zu tief und wurde auf 50mg angepasst. Diese Änderung bewirkte Wunder und schon am nächsten Morgen fühlte ich mich wesentlich besser. Natürlich war ich immer noch an den Sauerstoff gebunden, aber ich konnte auf 4l reduzieren.

Rechtzeitig zu Weihnachten war ich soweit erholt, dass ich mit einem mobilen Sauerstofftank und einer Antibiotikapumpe nach Hause durfte. Es war der 24.Dezember und das sonst üppige Weihnachtsessen wurde durch eine Pizza vom Kurier ersetzt. Die restliche Therapie machte ich in den kommenden Tage ambulant zu Hause und gegen Ende Jahr konnte ich ganz auf den Sauerstoff verzichten. "Da habe ich die Kurve gerade noch gekriegt, das hätte übel ausgehen können", dachte ich mir und war glücklich, dass ich wenigstens wieder ohne einen 15m Schlauch zur Toilette konnte.

Ich erholte mich bald von den Strapazen des letzten Jahres und fing wieder an zu arbeiten. Mittlerweile hatte ich auf ein 80% Pensum reduziert, was mir am Mittwoch jeweils eine Pause von der Belastung ermöglichte. Ausserdem konnte ich Arzttermine und Physiotherapie auf diesen Tag legen und konnte mich so während den anderen vier Tagen komplett auf die Arbeit fokussieren. Eine Entscheidung die mir damals Herr Dr. Bühlmann ans Herz gelegt hatte, die sich als goldrichtig erwies. Nach der intensiven Zeit Ende 2009 habe ich mich dann entschieden, dass ich künftig vom Kantonsspital St.Gallen und Herr Dr. Schoch behandeln lassen möchte, da ich mich dort hervorragend aufgehoben fühlte. Das Schicksal wollte es wohl so, denn kurze Zeit später verstarb Herr Dr.Bühlmann völlig unerwartet und die von ihm behandleten Patienten mussten durch einen langen, komplizierten Transitionsweg. Ich hatte dies bereits hinter mir und war nun vollständig vom KSSG betreut.