Das nächste schwierige Wort

Am 23.Mai 1986 wurde dann mein Bruder geboren. Auch er schien es äusserst eilig zu haben, so dass meine Mutter "schnell" ins Spital ging, der kleine Bruder seinen Teil der Arbeit in rund 15 Minuten erledigte und die Beiden am selben Tag wieder nach Hause konnten. Er wurde auf den Namen Reto getauft - ein weiteres Wort das meine damaligen linguistischen Fähigkeiten überstiegen. So nannte ich ihn jeweils liebevoll Rote.

Vererbungstechnisch rieten die Ärzte damals meiner Mutter ab, ein weiteres Kind zu haben. Die Chance, dass auch er mit CF geboren würde lag bei 25%. Ein Risiko, dass meine Eltern bereit waren einzugehen. Rote hatte Glück - er nutzte seine 75 prozentige Chance gesund zu sein und wählte sich die richtigen Gene aus (Gut gemacht Rote :-) )

Ich für meinen Teil konnte immer noch relativ sorgenfrei durchs Leben kurven. Die Krankheit hielt sich weiterhin dezent im Hintergrund und ich konnte normal zur Schule gehen. Ich schien sogar ziemlich intelligent zu sein und konnte vor Antritt der ersten Klasse schon etwas lesen und war ein kleiner Rechenkünstler. So war ich dann auch klein wenig enttäuscht, als wir am ersten Schultag eine Zeichnung machen sollten. Denn Zeichnen zählte wohl nicht zu meinen Stärken und meine Lehrerin hat es doch tatsächlich geschafft, mit genau dem Fach zu beginnen, welches mir am meisten Mühe bereitete. "Da wartet man sieben Jahre bis man endlich zur Schule darf und dann soll man zeichnen??? Was für eine Zeitverschwendung!" - dachte ich mich mir.

Es stand sogar zur Diskussion, ob ich eine Klasse überspringen sollte, da dies aber öfters zu sozialen Problemen für das Kind führte, entschieden sich meine Eltern und die Lehrerin, dass ich die Zeit wohl lieber absitzen sollte. Mein Hirn versetzte sich daher in eine Art Schlummerzustand bis etwa in die vierte Klasse, denn in den Stufen davor viel mir das Lernen äusserst leicht. Frühenglisch oder Kindergolf waren damals auch noch nicht so populär wie heute und so half ich halt der Nachbarin die schon in der sechsten Klasse war bei ihren Mathehausaufgaben. Dass ich aber so leicht lernte und unterfordert war, war leider nicht nur Segen. Der dazugehörige Fluch sollte sich später noch zeigen...